Hallo,
vielen Dank für die Blumen! Ich bin für Grafik alles andere als ein Experte, aber ich kann da schon ein paar Takte dazu schreiben. Leider ist meine Freizeit recht stark limitiert, weshalb ich da jetzt in er Tat kein Tutorial schreiben kann, aber ein paar wertvolle Tipps kann ich schon abgeben. Leider auch nicht alles auf einmal, aber wenn es die Zeit erlaubt, dann kommt hier immer mal wieder ein kleiner Abschnitt dazu.
Wie man also einen Comic-Stil erzeugt? Gute Frage. Am besten ist natürlich von Hand zeichnen und dann aufwändig kolorieren. Kann aber nicht jeder, ich schon gar nicht, deshalb greife ich auf 3D Software zurück. Der Stil ist übrigens von der Software ziemlich unabhängig, geht praktisch mit jedem leistungsstarken 3D Programm. Der Nachteil der Methode ist, dass es, vor allem am Anfang, extrem zeitraubend ist, denn am Anfang steht man mit leeren Händen da und muss erst mal Dutzende oder sogar Hunderte von Objekten modellieren. Dafür gibt es aber auch einen enorme Vorteile: Viele modellierte Objekte lassen sich durch kleine Veränderungen in neuen Szenen einsetzen und müssen nicht neu gezeichnet werden. Und der größte Vorteil aus meiner Sicht: Wenn man etwas an der Beleuchtung oder gar an der Perspektive etwas ändern will, ist das in wenigen Augenblicken erledigt, während der 2Dler praktisch von vorne beginnen muss.
Der wichtigste Punkt, der den Comic-Eindruck erzeugt, ist das Modelling. Der zweitwichtigste das Shading. An dritter Stelle kommt die Beleuchtung. Alle anderen Punkte wie Antialiasing, Art der Schatten, Post-Effekte etc. sind aus meiner Sicht eher nebensächlich. Sicher kann man damit den Look beeinflussen, aber eigentlich nur noch in Nuancen.
Zum Modelling:
Prinzipiell ist 3D-Software ja eher für gerade Linien konzipiert, was aber einem schönen Comic-Look ein bisschen im Weg steht. Der Schrank aus dem oberen Beispiel wurde relativ gerade modelliert und dann nachträglich mit Deformern "krumm" gemacht. Das ist zwar eine Möglichkeit, aber dabei ist man doch recht eingeschränkt. Diese Methode versuche ich so weit es geht zu vermeiden, da die Gefahr besteht, dass die Ergebnisse irgendwann ein wenig stereotyp aussehen (aha, da hat er wieder ein Bulge-Objekt genommen...), oder aber zu wenig vorhersagbare Ergebnisse bringen. Ich empfehle, mit dem Krummsein schon früher anzufangen, also den Schrank schon während des Bauens krumm zu machen. Zusätzliche Deformer kann man dann immer noch zusätzlich benutzen, was hilfreich ist, wenn man mehrere gleichartige Objekte hat, die aber nicht wie Kopien aussehen sollen. Wie krumm bauen? Das geht praktisch nur mit Veränderungen auf Vertex-Ebene (oh Gott). Das ist auch der Grund, wieso das so elend zeitraubend und anstrengend ist. Aber es gibt auch eine gute Nachricht, denn in den meisten Programmen steht und dabei ein Hilfsmittel zur Verfügung, welches die zu verändernden Vertices auf ein zumindest erträgliches Maß reduziert. Bei C4D heißt es HyperNURBS.
Eine kleine Exkursion: Was machen NURBSe? Dahinter steckt ein bisschen Mathematik, die uns aber nicht weiter zu interessieren braucht. Ganz einfach ausgedrückt, kann damit eine Kurve aus linearen Teilstücken zwischen den Eckpunkten verrundet werden. Die Kurve läuft in diesem Fall nicht mehr durch die Eckpunkte hindurch (außer in Sonderfällen), sondern die Punkte haben ein Verhalten so ähnlich wie Gravitationsfelder, üben eine anziehende Kraft auf die Kurve aus, welche sich dann zwischen den Punkten irgendwie hindurch schlängelt. Bevor ich hier zu weit abschweife, einigen anschauliche Beispiele: Wenn man ein Quadrat mit 4 Eckpunkten macht, handelt es sich um ein lineares Spline. Wenn man das Ganze zu einem B-Spline umwandelt, ändern sich nicht die Eckpunkte, aber die Verbindungsstrecken ändern sich von der Quadratischen Form zu so etwas wie einem Kreis (Ist kein exakter Kreis, aber fast). Eine Zickzacklinie wird zu so etwas wie einer Sinuskurve. Je mehr Punkte es auf der Kurve gibt und desto näher die aneinander liegen, desto mehr gleicht das B-Spline der linearen Ausgangskurve, was man bei scharfen Kanten in den Objekten oder für feinere Details nutzen kann. Bei weiten Punktabständen entstehen großzügige Rundungen, wie bei dem Beispiel mit dem Quadrat, der zum Kreis wird. Und was auf der Ebene geht, geht auch im Raum. Analog zum Quadrat wird aus einem Würfel eine Kugel (oder zumindest fast, ein bisschen eiert die Kugel nämlich). Im Raum und C4D heißt die Angelegenheit jetzt HyperNURBS. Sehr praktisch. Allerdings muss man sich an das Modellieren mit HNs ziemlich stark gewöhnen, denn die Objekte, die man tatsächlich modelliert, haben mit den resultierenden Objekten eher wenig Ähnlichkeit, man muss während des Modellierens ziemlich viel abstrahieren. Um da wirklich den Dreh raus zu bekommen, hilft eigentlich nur viel Übung. Ich arbeite mit der Methode seit ca. 15 Jahren und beherrsche sie so einigermaßen, was heißen soll, dass man nicht enttäuscht sein darf, wenn die ersten Anläufe ein bisschen holprig sind.
Man modelliert also ein ziemlich klobiges und kantiges Objekt mit weiten Vertex-Abständen in den wenig detailreichen Abschnitten und mit entsprechend mehr Vertices in den detailreichen Stellen. Dann lässt man den HN auf das Objekt los und schwupps wird z.B. ein Schrank daraus.
Ich beginne beim Modellieren zu 99% mit einem einfachen Würfel, den ich dann z.B. mit Schneiden unterteile, einzelne Vertices bewege, Flächen extrudiere etc. Das Ergebnis ist dann, wie oben beschrieben, eine furchtbare Anhäufung von Kästen und Ecken, die erst durch den HN die gewünschte Form erhalten. Jetzt kommt aber der Verkrümmungs-Vorteil: Ich muss mich nur noch um wenige Vertices kümmern, um ein Objekt krumm zu bekommen, das NH interpoliert mir die Vertices des resultierenden Objekts dann ja automatisch und harmonisch.
Ich kann mir vorstellen, dass das ziemlich nach Böhmischen Dörfern klingt, wenn man noch nie einen HN in der Hand hatte, deshalb empfehle ich, das einfach mal auszuprobieren. Vielleicht einfach mal einen ganz ganz groben Tisch oder Stuhl aus einem (EINEM!!) Polygon Objekt bauen, das Ganze dann ins HN werfen und zusehen, was passiert, wenn man die Punkte verschiebt.
Ein ganz schnelles, unsauberes, aber anschauliches Beispiel mit Tisch:
Super! Ein Low Poly Tisch! sieht doch schon gut aus!
Also nix wie ab ins HN damit, damit er ein wenig runder wird. Aber oh je, was ist das? Ein Euter? Tropfsteine? Mist, der HN hat mit den Tisch zermurkst!
Das geht so nicht, also vielleicht das Low Poly Grundobjekt ein bisschen feiner unterteilen, ich schneide mit Knife die Flächen an den Enden der Beine und da, wo sie in die Tischplatte übergehen ein bisschen durch, dann sind da mehr Vertices.
Ok, die Tischbeine und die Kante der Platte sind aber noch rund, etwas eckiger wäre besser. Also noch ein paar mal durch Schneiden die Polygone unterteilen.
Schon besser, sieht wieder aus wie ein Tisch mit ein bisschen abgerundeten Kanten.
Ohne HyperNURBS sieht der Tisch übrigens so aus, immer noch total Kantig und mit mehr Vertices als vorher, aber die Anzahl ist immer noch überschaubar
Also schön, dann ziehen wir mal ein paar von den Vertices ein bisschen durch die Gegend
Und dann schmeißen wir alles wieder ins HN, dann werden die ganz fiesen Kanten wieder ein bisschen ausgebügelt. Das Ganze ist zwar noch ein bisschen unsauber, aber ich denke als Anschauungobjekt taugt es.
Das war jetzt ein bisschen viel Text, aber es steckt ja auch recht viel Arbeit dahinter. Ich selber wäre auch sehr froh, wenn es eine Funktion namens "Comicify" gäbe, das könnt Ihr mir glauben.
Hoffe, es war nicht zu abstrakt,
Marian